Hoffnungsträger

Es gibt sie also doch noch irgendwo... die wahren Helden...die Hoffnungsträger einer ganzen Nation... diejenigen, die mir den Glauben in die heutigen Teenager doch ein wenig zurückgeben konnten... Es war im Zug. Ich sitze so vor mich hin in dem was sich "Zug" schimpft, eigentlich aber unter dem Namen Bummelbahn bekannt ist und langweile mich etwas. Irgendwo telefoniert ein Mädel anscheinend mit ihrer Mutter. Das Mädel ist mit ihrer Clique anscheinend im Heide Park gewesen und berichtet nun stolz der Mutter, dass sie den richtigen zug erwischt haben und nur noch 4mal umsteigen müssten...Das wilde Gefuchtel ihres Freundes und somit der Hinweis, dass es nur noch 2mal sind, werden interpretiert als "joaa...so gegen zwei sind wir da..." Ok diese Kids sind definitiv nicht unsere Titelhelden...
Ich langweile mich munter weiter. Musik hören kann ich nicht. Mein iPod ist anscheinend irgendwie feucht geworden oder so...keine Ahnung..geht jedenfalls nicht mehr...Lesen kann ich auch nicht. Das Buch ist irgendwie total beknackt...vielleicht bin ich auch nur zu unmotiviert, wer weiß...
Also sitze ich weiter herum, starre aus dem Fenster und versuche den "Wir machen eine kleine Umfrage"-Typ der Deutschen Bahn konsequent nicht anzusehen und selbst möglichst in weltbewegenden Gedanken versunken zu wirken. Klappt super. Er fragt den Nachbarn, der dann kurz genervt mit den Augen rollt, dann aber doch brav den Fragebogen ausfüllt. Er kriegt nichtmal was dafür... es werden ihm sogar noch drei kostbare Minuten seines Lebens genommen...Tja. Arme Sau. Die einen könns halt...die andern nicht, man kann ja auch nicht alles...
Och guck mal an, ein Reh denke ich... Ja man merkt wirklich wenn man wieder in der Heimat ist, weitab von Studentenstädten und Fußgängerzonen. Hier sind die Rehe noch echt und äsen einfach mal kurz neben den Bahnschienen... Ich freue mich. Habe lange keine Rehe mehr gesehen.
Und während ich mich freue passiert es: Ein paar Jungs, so um die 15 oder 16 Jahre steigen in den Zug ein. Ich mache mich auf das schlimmste gefasst und sehe mich in ca 2 Sekunden zwischen Asikindern sitzen, die irgendeine Scheißmusik aus ihren Handys krächzen lassen. Vorsorglich finde ich die Jungs schonmal doof und mache mich bereit, mich total aufzuregen, böse Blicke zu verteilen und irgendwann zu sagen "Macht den Scheiß aus ihr Kackbratzen! Ihr seid hier nicht alleine.." Fast bin ich schon soweit, mir ne Rentner-Omi zu suchen und mich mit ihr über die ganzen asozialen Jugendlichen von heute aufzuregen. Aber was ist das? Nichts passiert!! Alle setzen sich hin, unterhalten sich normal oder schlafen! Keine doofen Sprüche, kein Sido, kein "Bushido ist voll geil, alder! Nichts! Und nicht dass das alles wäre! Die beiden Jungs hinter mir fangen an in ihren Taschen zu kramen und ich denke "AHA!! auf euch ist eben doch Verlass..." und was holen sie raus? Ich dachte ich bin gerade mal kurz in ein Paralleluniversum gefallen... Sie spielen AUTOQUARTETT!!! So richtig mit echten Karten und Hubraum gegen Hubraum! Wirklich toll!! Ich errinnere mich sofort an die Klassenfahrt in der 6. wo ich mein ganzes Taschengeld in Quartetts umgesetzt hatte. Ich beruhige mich sofort, verschiebe meinen Hass gegen Asikids zum späteren Gebrauch (ich bin sicher der Moment wird kommen) in andere Ecken meines Gehirns und freue mich total über Lasse und Tobi, die meinen Tag retteten und ihren Artgenossen ein großes Stück Sympathie einbrachten. Es werden auch wieder andere Zeiten kommen...Zeiten, in denen die Antwort auf die Frage der Pisa-Polizei "Aus welchem Land kommen Veganer" aus voller Überzeugung "Veganistan" sein wird. In solchen Zeiten, meine Freunde, seid stark und denkt an Lasse und Tobi...die Helden aus Abteil 2!

Auf der Rückfahrt passierte übrigens noch was lustiges... ich sitze da so herum, vertieft in meinen "Rolling Stone"... irgendwann denke ich "Och kannst ja mal wieder aus dem Fenster gucken, das mit dem Reh gestern war ja echt super und so.." Ich blicke auf und muss kurz überlegen wieviel ich letzten Abend nochmal getrunken hatte denn: Ich sah ein Zebra...
Ich schaute mich kurz im Abteil um und vergewisserte mich, dass noch irgendwer verblüfft über sich selbst und verwirrt aussah, aber nichts... Wir fuhren dann aber ein Stück weiter und alles erklärte sich... nächster Halt: Hodenhagen... und anscheinend wussten alle anderen dass die Bahnschienen hinter dem Serengetipark liegen und waren Giraffen und Zebras auf der Wiese gewohnt. Ich sollte öfter Zug fahren.